Version v0.8

Vortrag: Der sogenannte Absentiv im Spannungsfeld zwischen Kontext, Interaktion und Kognition

Forschungsgegenstand meines Promotionsprojektes ist der Absentiv, der sich formal durch „Subjekt + Verb sein (finit) + Handlungsverb (Infinitiv)“ (König 2009: 42) bzw. x-er sein (Szczepaniak 2011: 164) darstellen lässt. Üblicherweise gilt ein absentivischer Ausdruck wie „Anna ist einkaufen“ gilt als Antwort auf die Frage „Wo ist Anna?“ und impliziert die derzeitige Abwesenheit der fraglichen Person Anna. Allerdings wurde der Absentiv bislang überwiegend im generativgrammatischen Sinne („top down“) als Schnittstellenproblematik Morphologie/Syntax und Syntax/Semantik vielfach aufgriffen und kontrovers diskutiert. Aus den wenigen existierenden Absentiv-Untersuchungen (meistens in Form von Artikeln aus Sammelbänden, keine monographischen Darstellungen), wo ein Introspektionsbezogenes Beispielsverfahren ohne empirisch nachvollziehbare Datengrundlagen äußerst im Vordergrund steht, lässt sich nicht pauschal feststellen, ob es sich dabei um eine eigenständige grammatische Kategorie handelt oder der Absentiv sekundär einer übergeordneten grammatischen Konstruktion (wie z.B. Progressiv, vgl. Krause 2002) angehören soll, da bisher keine hinreichenden Differenzierungen zwischen Form, Funktion, Bedeutungskonstitution und pragmatische Gebrauchsweisen vorliegen.

Angesichts dieser Forschungsdesiderata wird der Absentiv in der geplanten Dissertation aus einer interaktionskonstruktivischen Perspektive bzw. als eine interaktional-gesprächsanalytisch, konstruktionsgrammatisch, kognitionslinguistisch und sprachgebrauchstheoretisch begründete Konstruktion beschrieben und analysiert, um die Forschungsfragen – was man unter dem Absentiv auf formaler und funktionsstruktureller Ebene versteht und wie sie sich darauf aufbauend mental-kognitiv rekonstrurieren lässt – möglichst systematisch zu beantworten. Dabei handelt es sich primär um Konvergenzen und Diskrepanzen zwischen Interaktionslinguistik und Kosntruktionsgrammatik. Geplantes methodisches Vorgehen setzt zwei Untersuchungsebenen aus – interne Beobachtung und externe Rekonstruktion. Die erste konzentriert sich auf die formalen und funktionsstrukturellen Merkmale der absentivischen Instanziierungen (als „inter-acts“) und gliedert sich in vier Perspektiven – Kommunikationstechnologien und -formen, Interaktionskonstituierende Gesprächsbeiträge, Interaktionstrukturen und -praktiken sowie Interaktive Kontextparameter, während die letztere auf eine kognitiv-funktionale Rekonstruktion des Absentivs abzielt, die ebenfalls vier untergeordnete Untersuchungsebenen umfasst – Symbolische Einheit, Schematische Einheit im Netzwerk, Konstruktion als holistisches Verständnis sowie Konstruktion als Sprachzeichen in der Grammatikalisierung.

Für das gesamte Promotionsprojekt sind Untersuchungen zu verschiedenen authentischen Kommunikationsformen wie z.B. Face-to-Face Interaktion, Internetbasierte Kommunikation, Telefongespräche aus existierenden Datenbanken als natürliche Sprachdaten in Planung. Bei meinem Vortrag wird allerdings mehr Fokus auf die bisherigen empirischen Untersuchungsergebnisse aus den digital vermittelten Kommunikationsformen (mobile communication aus MoCoDa 1 und 2) gelegt. Dabei wird deutlich, dass der Absentiv als eine offene, gestalthafte Konstruktion im sprachlichen Handeln für verschiedene kommunikative Ereignisse und Aufgaben eingesetzt werden kann, welches sich mithilfe der aktualen Sequenz- und Handlungskontexte aufzeigen und situativ interpretieren lässt. Anhand von Absentiv-Belegen aus der mobile communication (als einer kategorial spezifischen Kommunikationsform) ist es auch ersichtlich, dass die damit einhergehenden Kommunikationsbedingungen und Kontextparameter, die bei der Herausbildung und Aktualisierung der Absentiv-Konstruktion eine wesentliche Rolle spielen, berücksichtigt werden müssen. Folgende Abschnitte sind hierfür beispielhaft:

Literatur

Abraham, W. (2008): „Absentive arguments on the Absentive: An exercise in silent syntax. Grammatical category or just pragmatic inference?“ In: Language Typology and Universals (STUF) 61/4:358-374. Auer, P. (2006): Construction grammar meets conversation: Einige Überlegungen am Beispiel von „so “- Konstruktionen. Konstruktionen in der Interaktion, 291, 314.
Bücker, J. (2012): Sprachhandeln und Sprachwissen: Grammatische Konstruktionen im Spannungsfeld von Interaktion und Kognition (Vol. 11). Walter de Gruyter.
Croft, W. A. (2001): Radical Construction Grammar, Oxford: Oxford University Press.
Günthner, S. (2000): Grammatik der gesprochenen Sprache–eine Herausforderung für Deutsch als Fremdsprache?. Informationen Deutsch als Fremdsprache, 27(4), S. 352-366.
Günthner, S.; Imo, W. (Hrsg.) (2006): Konstruktionen in der Interaktion, Berlin, New York: de Gruyter. Günthner, S.; Knoblauch, H. (1996): Culturally patterned speaking practices – the analysis of communicative genres. In: Pragmatics 5, S. 1-32.
Imo, W. (2013): Sprache in Interaktion: Analysemethoden und Untersuchungsfelder. Berlin: de Gruyter. Imo, W. (2017): Interaktionale Linguistik und die qualitative Erforschung computervermittelter Kommunikation. Empirische Erforschung internetbasierter Kommunikation, S. 81-108.
Linell, P. (1998): Approaching Dialogue. Talk, Interaction and Contexts in Dialogical Perspectives, Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins.

Info

Tag: 25.09.2021
Anfangszeit: 11:50
Dauer: 00:40
Raum: Don Giovanni

Sprache: de

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