Version v0.8
Vortrag: Diskurstraditionelle Überlegungen zur Konstituierung der spanischen Wissenschaftssprache
Eine anthropologisch-linguistische Analyse kolonialer Medizin-Manuskripte des 18. Jahrhunderts
Die Dissertation ist Teil eines interdisziplinär ausgerichteten Forschungsprojektes, in dem kürzlich wiederentdeckte Manuskripte, die in der spanischen Kolonialzeit von jesuitischen Missionaren im heutigen Paraguay verfasst wurden, hinsichtlich der Konstitution und Transformation von Wissen aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht werden. Die linguistisch-anthropologische Perspektive auf die Manuskripte wird dabei vom vorliegenden Dissertationsvorhaben abgedeckt, in dem die Konstitution der spanischen Wissenschaftssprache im 18. Jahrhundert diskurstraditionell analysiert wird.
Diskurstraditionen werden als kulturelles Wissen angesehen (Schrott 2015), das sich in der Verwendung sprachlicher Elemente unterschiedlicher Komplexität manifestiert, die durch Wiederholung zu einem eigenen semiotischen Zeichen werden (Kabatek 2005), beispielsweise die Formel „Es war einmal“, die auf die Textgattung Märchen verweist. Im Konzept fließen die externe und die interne Sprachgeschichte zusammen, denn Diskurstraditionen hängen von den kommunikativen Bedürfnissen von Sprachgemeinschaften ab (Koch 1997). Daher stellen sie einen analytischen Zugang zu Sprachwandelprozessen (z. Bsp. Ausbauprozesse, Verschriftlichung) dar, die sich zuerst in einzelnen Diskurstraditionen zeigen und sich dann durch sie in der gesamten Sprachgemeinschaft ausbreiten können. Das Konzept der Diskurstraditionen wird bislang vorrangig in der Hispanistik rezipiert, ohne dass bisher weder ein definitorischer Konsens noch eine empirisch genügende Methodik Zugänge gefunden werden konnten.
Zur empirischen Fundierung möchte die Dissertation beitragen, indem Diskurstraditionen der Wissenschaftssprache in zwei medizinischen Manuskripten des 18. Jahrhunderts in einer diachronisch-vergleichenden Perspektive analysiert werden. Die Diskurstraditionen werden dabei auf der Inhalts- sowie auf der Ausdrucksseite der Texte untersucht (Kabatek 2015). In methodischer Hinsicht bestehen durch den Begriff des Diskurses Anschlussmöglichkeiten an diskursanalytische und textlinguistische Methoden (Schrott 2015). In der Arbeit wird auf der Inhaltsseite die sprachliche Repräsentation der Indigenen als Quelle des behandelten medizinischen Wissens fokussiert, welche mit korpus- und diskurslinguistischen Instrumenten (Schlüsselwörter, Kookkurrenzen, Topoi) aufgezeigt werden soll. Auf der Ausdrucksseite werden vor allem morphosyntaktische Diskurstraditionen des sich im 18. Jahrhundert ausbildenden Registers der Wissenschaftssprache untersucht, beispielsweise die Informationsverteilung, Nominalisierungen und Satzverknüpfungsarten.
Im Vortrag soll zum einen das Konzept der Diskurstraditionen näher beleuchtet und insbesondere auf interdisziplinäre Anknüpfungspunkte eingegangen werden. Zum anderen soll vor allem die praktische Umsetzung einer Analyse von Diskurstraditionen thematisiert und diskutiert werden, da dies in der Literatur bislang wenig behandelt wurde.
Literatur
Halliday, Michael / Martin, James (eds.) (1993): Writing Science. Literacy and Discoursive Power. Pittsburgh: University of Pittsburgh Press.
Kabatek, Johannes (2005): "Tradiciones discursivas y cambio lingüístico", in: Lexis, XXIX (2), 151– 177.
Kabatek, Johannes (2015): "Wie kann man Diskurstraditionen kategorisieren?", in: Winter- Froemel, Esme / López Serena, Araceli / Toledo y Huerta, Álvaro Octavio de / Frank-Job, Barbara (eds.): Diskurstraditionelles und Einzelsprachliches im Sprachwandel. Tübingen: Narr Francke Attempto, 51–65.
Koch, Peter (1997): "Diskurstraditionen: zu ihren sprachtheoretischen Status und ihrer Dynamik", in: Frank, Barbara / Haye, Thomas / Tophinke, Doris (eds.): Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit. Tübingen: Gunter Narr Verlag, 43–79.
Schrott, Angela (2015): "Kategorien diskurstraditionellen Wissens als Grundlage einer kulturbezogenen Sprachwissenschaft", in: Lebsanft, Franz / Schrott, Angela (eds.): Diskurse, Texte, Traditionen. Modelle und Fachkulturen in der Diskussion. Bonn: Vandenhoeck & Ruprecht, 115– 146.
Info
Tag:
25.09.2021
Anfangszeit:
13:30
Dauer:
00:40
Raum:
Die Zauberflöte
Sprache:
de
Links:
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Dirk König |