Vortrag: Ironischer Sprachgebrauch als Mittel zur Positionierung im Rahmen soziopolitischer Problemstellungen
Ein Impulsvortrag
Wir werden uns in diesem Vortrag, der dezidiert als diskussionseröffnend denn als "fertige" Ergebnisse präsentierend verstanden werden soll, mit ironischem Sprachgebrauch als Form des sog. uneigentlichen Sprechens beschäftigen.
Wenn die Ironie einer sprachlichen Äußerung erkannt wird, stellt der_die Rezipient_in (R) eine Inkongruenz zwischen der expliziten Äußerung (Satzbedeutung) und dem Wissen über den_die Sprecher_in fest, wobei das Wissen auch ein Vermuten über S' Einstellungen und Überzeugungen sein kann (Groeben 1984: 191). Die der wörtlichen Bedeutung des ironischen Sprechakts entgegenstehende Information kann häufig nicht unmittelbar (etwa im Satz vorher, wie in vielen Beispielen der sich mit Ironie befassenden Literatur) ausgemacht werden. Das Hintergrundwissen erlaubt es R, von S' Verstoß gegen die Gricesche Qualitätsmaxime „Sage nichts, was du für falsch hältst“ (Grice 1975) und einer von S intendierten Uminterpretation des wörtlichen Gesagten in das Gegenteil auszugehen: R sucht nach einer Interpretation, die die Verletzung der Regel ausschließt, und wendet im Zuge dessen mithilfe der durch den Kontext und das Weltwissen bereitgestellten Information eine konversationelle Implikatur an (Schwarz-Friesel 2009: 224). Nach Groeben 1984 lässt sich das von Hörmann (1976) aufgestellte Prinzip der Sinnkonstanz auf das Phänomen der Ironie übertragen: Dass die wörtliche Bedeutung des Gesagten in Inkongruenz zum Wissen von R über S und S' Kognition steht, führt nicht dazu, dass sich R „mit der Feststellung begnügt, daß er den Satz nicht versteht, sondern er versucht, ihm eine Bedeutung zuzuordnen, die den Satz im Rahmen seines Wissens über [S] sinnvoll macht“ (Groeben 1984: 192). Das Verstehen von Ironie besteht sodann in der Konstruktion von Bedeutung, und zwar solch einer Bedeutung, die die wörtliche Bedeutung negiert: dem „eigentlich Gemeinten“ (ebd.).
Durch 'uneigentliches Sprechen' in Form der Ironisierung bestimmter Sachverhalte kann S eine indirekte und implizite Selbstpositionierung (Lucius-Hoene & Deppermann 2004) vornehmen, wie am Beispiel eines argumentativen Textes im Rahmen der Sexismus-Debatte in der Punk-Szene in Deutschland gezeigt werden soll.
Literatur:
Grice, Herbert-Paul (1975). Logic and conversation. In: P. Cole / J.L. Morgan (eds): Syntax and semantics. Vol. 3: Speech acts. New York, pp. 41-58.
Groeben, Norbert (1984). Rezeption als Konstruktion. Das Prinzip der Sinnkonstanz am Beispiel von Ironie. In: J. Engelkamp (Hg.): Lehr- und Forschungstexte Psychologie Band 10. Psychologische Aspekte des Verstehens. Berlin/Heidelberg: Springer, 185-201.
Hörmann, Hans (1976). Meinen und Verstehen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Lucius-Hoene, Gabriele & Arnulf Deppermann (2004). Narrative Identität und Positionierung. Gesprächsforschung 5 (Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion), 166-183.
Schwarz-Friesel, Monika (2009). Ironie als indirekter expressiver Sprechakt: Zur Funktion emotionsbasierter Implikaturen bei kognitiver Simulation. In: A. Bachmann-Stein / S. Merten / Ch. Roth (Hg.): Perspektiven auf Wort, Satz und Text. Semantisierungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen des Sprachsystems. Festschrift für Inge Pohl. Trier: Wissenschaftlicher Verlag, 223-232.
Info
Tag:
20.11.2021
Anfangszeit:
14:30
Dauer:
00:30
Raum:
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Sprache:
de
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Phillip Alexander Neumair |