Vortrag: Die Polyfunktionalität der temporalen präpositionalen Wortverbindungen

Eine korpusbasierte Studie von ,im Moment'

Präpositionale Wortverbindungen (PWVs) sind Untersuchungsgegenstand des PREPCON-Projekts des Leibnitz-Instituts für Deutsche Sprache unter der Leitung von Dr. Kathrin Steyer und im Rahmen des Projekts werden PWVs als binäre lexikalische Präpositionalphrasen definiert, die durch den Wegfall des Artikelwortes zwischen Präposition und Nomen (sogenannter Nullartikel) gekennzeichnet sind, z. B. vor Ort, binnen Sekunden (Steyer 2019: 9). Bei den Untersuchungen im Projekt wurde gezeigt, dass temporale PWVs über eine Polyfunktionalität verfügen: Sie lassen sich neben der Funktion als Temporaladverbiale auch als kommunikative Formeln oder Diskursmarker interpretieren (ebd.: 17)
Der Vortrag beschäftigt sich eingehend mit der Bedeutung und den Gebrauchsaspekten der PWV ,im Moment‘ mithilfe von Korpusanalysen aus funktional-grammatischer sowie semantischer, pragmatischer und textlinguistischer Perspektive. Die Korpusanalyse kam zu dem Ergebnis, dass die PWV ,im Moment‘ der Polyfunktionalität einer temporalen PWV entspricht. Nach den Ergebnissen der Datenanalyse verfügt ,im Moment‘ über ein breiteres Spektrum von Zeitreferenzmöglichkeiten, die mehr oder weniger durch Dehnung ihrer Grundbedeutung hervorgebracht werden. Es wird zudem dargestellt, dass ,im Moment‘ neben ihren temporalen Lesarten diskursiv interpretierbar sind. Diese diskursive Lesart zeigt sich vor allem in der vorläufig-Lesart und der Lesart ‚Sprechereinstellungen ausdrücken‘. Die oben genannten temporalen sowie diskursiven Lesarten werden in verschiedenen Belegen unterschiedlich stark hervorgehoben und die Hervorhebung der bestimmten Lesart ist sowohl vom Kontext als auch von den eingebetteten funktional-pragmatischen Mustern abhängig.
Literatur:
Steyer, Kathrin (2019): Für Jahre vom Tisch sein. Temporale Präposition-Nomen-Verbindungen zwischen Zeitreferenz und modal-diskursivem Gebrauch In: Ďurčo, P. / Tabačeková, J. (Hg.): Präposition-Nomen-Verbindungen. Korpusstudien zu Gebrauch und Musterhaftigkeit phraseologischer Minimaleinheiten. Berlin: Logos, 7-45.

,,Während die Grundbedeutung der Tempora relativ gut erforscht sind, ist die Analyse pragmatisch vermittelter und metaphorischer Verwendungen noch Gegenstand lebhafter Diskussion.‘‘ (Vater 1994: 108). Dies gilt in stärkerem Mäße auch für Temporaladverbiale, insbesondere für temporale Präpositionalphrase. Ausgehend davon wird die Präposition-Nomen-Verbindungen (PNs) als Untersuchungsgegenstand im PREPCON-Projekt des Leibnitz-Instituts für Deutsche Sprache untersucht. Im Rahmen des Projekts werden PNs als binäre lexikalische Präpositionalphrasen definiert, die durch den Wegfall des Artikelwortes zwischen Präposition und Nomen (sogenannter Nullartikel) gekennzeichnet sind, z. B. vor Ort, binnen Sekunden (Steyer 2019: 9). Im PREPCON-Projekt werden aus phraseologischer Perspektive korpuslinguistische Untersuchungen durchgeführt, bei denen die Gebrauchsaspekte binärer PNs interpretiert werden (Steyer 2018: 231). Dabei wurde gezeigt, dass temporale präpositionale Wortverbindungen (PWVs) – eine selbständig als Satzglied fungierende Untergruppe der PNs – über eine Bifunktionalität verfügen: Sie lassen sich neben der Funktion als Temporaladverbiale auch als kommunikative Formeln oder Diskursmarker interpretieren (ebd.: 17), z. B. die PWV für Jahre in (1):
(1) Ein vorsätzlich platziertes Fingerstück in einer Chili-Suppe eines kalifornischen Restaurants bringt ein Ehepaar nun für Jahre hinter Gitter. [...] Die 40-jährige Anna Ayala muss für neun Jahre ins Gefängnis.
(Bsp. nach PREPCON-Online)
Die PWV ,für Jahre‘ in (1) bedeutet nicht nur eine begrenzte Dauer (In diesem Fall wird durch den Kontext klar gemacht, dass die Haft neun Jahre dauern wird.), sondern auch eine gefühlte Ewigkeit, die die Bewertung der Haft durch den Sprecher reflektiert (vgl. Steyer 2019: 32).
Der Vortrag beschäftigt sich mit der temporalen PWV ,im Moment‘ und es wird anhand von korpuslinguistischen Untersuchungen versucht, die Polyfunktionalität von ,im Moment‘ zu illustrieren und die Faktoren, die ihre Bedeutung und Interpretation beeinflussen, aus funktional-grammatischer Sicht zu erfassen. Nach den Ergebnissen der Datenanalyse besitzt ,im Moment‘ eine Vielzahl an Zeitreferenzmöglichkeiten. Im Hinblick auf die lineare Zeitfolge kann sich ,im Moment‘ auf Basis der Grundbedeutung sowohl auf einen subjektiven gegenwärtigen Zeitpunkt beziehen als auch auf einen Zeitpunkt der Vergangenheit. Bezüglich der Zeiterstreckung kann ,im Moment‘ auf unterschiedlich lange Zeitspannen referieren. Es wird zudem dargestellt, dass ,im Moment‘ neben ihren temporalen Lesarten diskursiv interpretierbar sind. Diese diskursive Lesart zeigt sich vor allem in der vorläufig-Lesart und der Lesart ‚Sprechereinstellungen ausdrücken‘. Die temporalen sowie diskursiven Lesarten werden in verschiedenen Belegen unterschiedlich stark hervorgehoben und die Hervorhebung der bestimmten Lesart ist sowohl vom Kontext als auch von den funktional-pragmatischen Mustern abhängig.

Literatur:
PREPCON-online (2019): PREPCON-Präposition-Nomen-Verbindungen im Kontext. Onlineplattform. http://www.ids-mannheim.de/prepcon/prepcon_online.html
Steyer, Kathrin (2018): Lexikalisch geprägte Muster – Modell, Methoden und Formen der Onlinepräsentation. In Kathrin Steyer (Hg.): Sprachliche Verfestigung. Wortverbindungen, Muster, Phrasem-Konstruktionen. (=Studien zur Deutschen Sprache 79). Tübingen: Narr, 227-264.
Steyer, Kathrin (2019): Für Jahre vom Tisch sein. Temporale Präposition-Nomen-Verbindungen zwischen Zeitreferenz und modal-diskursivem Gebrauch In: Ďurčo, P. / Tabačeková, J. (Hg.): Präposition-Nomen-Verbindungen. Korpusstudien zu Gebrauch und Musterhaftigkeit phraseologischer Minimaleinheiten. Berlin: Logos, 7-45.
Vater, Heinz (1994): Einführung in die Zeit-Linguistik. 3., verb. und erw. Aufl. Hürth-Efferen: Gabel.

Info

Tag: 04.11.2022
Anfangszeit: 08:45
Dauer: 00:30
Raum: Wiwi-Bunker —Room 5050
Track: Applied Linguistics
Sprache: de

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