Vortrag: Bemirschreibe, was gedirfällt
Die endoklitischen Personalpronomina des Altlitauischen und ihr indogermanischer Hintergrund
Wenn die litauische Sprache für etwas bekannt ist, dann für ihre (vermeintliche) Archaizität. Im Gegensatz zu anderen indogermanischen Sprachen hat das Litauische in Lexik und Morphologie viele Eigenschaften über die Jahrhunderte fast unverändert erhalten, und direkte Entsprechungen zum weitaus älteren Sanskrit (skrt./lit. kas, tas ‚wer, der‘) oder zum Lateinischen (lat./lit. tu ‚du‘, lat. dens, dentis, lit. dantis ‚Zahn‘) werden von LituanistInnen immer wieder genüsslich angeführt. Doch es ist völlig klar, dass auch das Litauische im Laufe der Jahrhunderte umfassende Sprachwandel erlebt hat. Ein besonders interessanter Fall ist ein Phänomen, das als litauische Tmesis oder als Endoklise bezeichnet wird, und mit dem ich mich in meiner Bachelorarbeit beschäftigt habe. Im Altlitauischen (16.-18. Jahrhundert n. Chr.) können einige Klitika zwischen dem Präverb und dem Verb auftreten, einschließlich der klitischen Personalpronomina: *pa-mi-rodyk, kas pa-ti-tinka ‚be-mir-schreibe, was ge-dir-fällt‘. Obwohl sich zahlreiche ähnliche Phänomene in anderen indogermanischen Sprachen finden lassen, ist eine direkte Herleitung der „litauischen Tmesis“ von der sog. indogermanischen Tmesis problematisch. Vielmehr kann im Altlitauischen verfolgt werden, wie ererbte syntaktische Strukturen von einzelsprachlichen Neuerungen umgeformt werden können. Dies lässt sich besonders an den Schriften von Daniel Klein verfolgen, mit dessen Wirken die Standardisierung des Litauischen begann. Auf den Spuren alter indogermanischer Satzstrukturen begeben wir uns also ins deutsch-litauische Preußen des 17. Jahrhunderts, in einen multilingualen Knotenpunkt, von dem nach dem Zweiten Weltkrieg kaum etwas übrigblieb.
The Lithuanian language is well-known for its supposed archaic Indo-European traits, mostly in its lexicon and (nominal) morphology. However, not all archaic-looking features of Lithuanian are indeed inherited. In this presentation I will present selected aspects of my Bachelor thesis on the ‘endoclitic’ personal pronouns of Old Lithuanian (16.-18. centuries CE). In Old Lithuanian, clitic pronouns may be inserted between preverb and verb, as in pa-MI-rodyk ‘tell ME’. The historical explanation of this phenomenon is somewhat problematic, as a direct connection to the so-called Indo-European tmesis (as it was brought forth by Petit 2010) is plausible, but ultimately unprovable. By investigating the Old Lithuanian usage and by comparing various similar phenomena in other Indo-European languages one may see instead how inherited syntactical features may be re-structured across various daughter languages in creative and interesting ways.
The presentation will be held in German, the language of my thesis; questions can also be asked in English or Russian.
Info
Tag:
27.05.2023
Anfangszeit:
15:00
Dauer:
00:30
Raum:
SH 0.106
Track:
Historical Linguistics
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Jonathan Beyer |