Version 4.2

Lecture: Von den “nominative experiencers”

Wie ich Haspelmath widerlegte

In seinem Artikel „The European linguistic area: Standard Average European” (2001) präsentiere Martin Haspelmath die sog. „nominative experiencers“ als ein Merkmal des “Standard Average European” (SAE) Sprachbund. Genauer stellt er die These auf, SAE-Sprachen unterschieden sich von nicht-SAE-Sprachen indem sie Experiencer eher mit Nominativ als mit einem obliquen Kasus markierten. Im Umkehrschluss verwendeten nicht-SAE-Sprachen hier eher einen obliquen Kasus. Haspelmath stützt seine These auf eine Studie von Georg Bossong (1998). In dieser Studie untersucht Bossong die Markierung von Experiencern in 40 (nicht-)europäischen Sprachen. Bisher wurde jedoch noch keine typologische Studie unternommen, die möglichst viele Sprachareale und -familie repräsentativ abdeckt. Daher kann Haspelmaths These nicht als bewiesen angesehen werden.
Für eine Hausarbeit habe ich 23 ziemlich repräsentative nicht-SAE-Sprachen aus dem WALS “100-language sample” untersucht. Von diesen zeigten 20 überwiegend mit Nominativ markierte Eperiencer. Haspelmaths These kann damit vorläufig als widerlegt gelten.
Weiterhin stellte ich ein massives methodisches Problem in Haspelmaths Analyse von Bossongs Daten fest. Bossong beschäftigt sich in seiner Studie nämlich gar nicht mit Kasus. Stattdessen untersucht er, ob sich die Subjekte von Experiencerverben wie die Subjekte von Aktionsverben verhalten (généralisation) oder nicht (inversion). Da seine Sprachauswahl auch zahlreiche Sprachen enthält, die gar keine Kasus markieren oder ein Ergativ/Absolutiv-System haben, ist eine Umdeutung auf einen Gegensatz „Nominativ vs. Oblique“, wie Haspelmath es tut, gar nicht direkt möglich.
In meinem Vortrag möchte ich einerseits das Ergebnis meiner Studie vorstellen und andererseits auf die Probleme hinweisen, die bei der Interpretation von fremden Daten in neuen Kontexten entstehen können.

Literatur:
Haspelmath, Martin. 2001. The European Linguistic Area: Standard Average European. In Martin Haspelmath (ed.), Volume 2. (Language typology and language universals, 2). 1492-1510.
Bossong, Georg. 1998. Le marquage de l’expérient dans les langues d’Europe. In Jack Feuillet (ed.), Actance et Valence dans les Langues de l’Europe. (Empirical Approaches to language typology, 20; EURO-TYP, 2). 259-294.
Zielenbach, Maria. 2019. Are "Nominative Experiencers" really a feature of Standard Average European?: Haspelmath's claim revised. www.academia.edu/39150992/Are_Nominative_Experiencers_really_a_feature_of_Standard_Average_European_-Haspelmaths_claim_revised

Info

Day: 2019-05-23
Start time: 15:30
Duration: 00:30
Room: 100/ Höörsaal II
Track: Typology and Variational Linguistics
Language: de

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