Vortrag: Perfekt informiert
Informationsstrukturelle Faktoren der Perfektgrammatikalisierung im Althochdeutschen
Das deutsche Perfekt ist im Althochdeutschen entstanden aus einer Konstruktion, in der das finite Verb ein Vollverb und das Partizip ein prädikatives Adjektiv ist, das das Objekt näher beschreibt (im Neuhochdeutschen erhalten in Sätzen wie "Ich habe mein Handy immer angeschaltet"). Untersuchungsgegenstand der bisherigen Forschung ist hierbei vor allem, in welchen Zwischenstadien sich diese Entwicklung vollzieht. Wenig Aufmerksamkeit hat hingegen die Frage nach der Ursache dieser Entwicklung erhalten. Dieser Vortrag untersucht, inwiefern die Entstehung des Perfekts von informationsstrukturellen Gegebenheiten mitverursacht wurde.
Ausgangspunkte dieser Überlegung sind zwei Erkenntnisse bisheriger sprachhistorischer Forschung im Deutschen: 1. Im Althochdeutschen besteht ein Zusammenhang zwischen Informationsstruktur und Verbpositionierung. Beispielsweise stehen bekannte Satzglieder tendenziell vor dem finiten Verb, was zu einer Verbzweitstellung führt, während Sätze mit ausschließlich neuen Satzgliedern häufig Verberststellung aufweisen. 2. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Informationsstruktur und Perfektgrammatikalisierung: Dass der Gebrauch des Perfekts in der frühneuhochdeutschen Sprachperiode zunehmend auf Kosten des Präteritums ausgeweitet wird, ist auf informationsstrukturelle Vorteile zweiteiliger Verbformen verglichen mit einteiligen Verbformen zurückgeführt worden.
In diesem Vortrag soll ausgehend von beiden Erkenntnissen empirisch untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen Informationsstruktur und Perfektgrammatikalisierung bereits in der Entstehungsphase des Perfekts, dem Althochdeutschen, nachweisbar ist. Vertreten wird hierbei die These, dass der Verlust der lexikalischen Bedeutung des finiten Verbs daher rührt, dass ein Widerspruch zwischen der frühen Positionierung des Verbs im Satz (also der Positionierung in einer Bekanntheitsdomäne) und der tendenziell neuen Bedeutung des Verbs besteht. Dieser wird dadurch aufgelöst, dass das finite Verb seine lexikalische Bedeutung verliert und daher informationsstrukturell nicht mehr relevant ist.
Info
Tag:
22.11.2024
Anfangszeit:
11:50
Dauer:
00:30
Raum:
00A03 CNMS
Track:
Historische Linguistik
Sprache:
de
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ReferentInnen
Sandra Müller |