Vortrag: KeyNote Dr. Peter Kistler - „In Krisen wie diesen …“ – Perspektiven einer Coronalinguistik
Die alle Völker betreffende, eben pandemische Krise zieht global und lokal Transformationen nach sich, die mit Sprache als symbolischen Handeln einher gehen. Es handelt sich dabei einerseits um Folgen im Sprachsystem, andererseits versuchen Menschen weltweit die Krise wenigstens sprachlich zu beherrschen. Sprache zeigt sich dabei mit all ihren Potentialen als sinnerzeugendes Mittel, das Unsichtbares und Unfassbares beschreibbar macht. Mit Sprache geben wir der Krise ihre Begriffe, machen sie begreifbar, geben den Ereignissen Sinn oder lassen am Sinn zweifeln.
Kommunikationswissenschaftler*innen sind neben Virologen bereits gefragte Gesprächspartner in den Medien. Ein bewusster und auch analytischer Umgang mit dem Wortschatz der Corona-Pandemie wird drastischer sichtbar als bei den weniger beachteten Vorgängerepidemien. In Deutschland scheinen manche öffentlichen Sprecher ihre Worte durchaus bewusster zu wählen. Statt „Ausgangssperren“ werden „Kontaktbeschränkungen“ erlassen. „Herdenimmunität“ und „Durchseuchung“ werden eher selten in den Mund genommen. Die brisanten Fachbegriffe aus der Epidemiologie und anderen Fachsprachen werden diskutiert und es wird nach akzeptablen Synonymen gesucht.
Die Krise bietet Sprachwissenschaftlern ein breites Spektrum möglicher Forschungsfragen. Selten waren die sprachlichen Reaktionen auf medizinische, soziale und politische Ereignisse so schnell global beobachtbar und wurden auch noch in Echtzeit protokolliert. Mein Beitrag versucht als Momentaufnahme einige Fragebereiche grob zu skizzieren. Ich werfe Schlaglichter auf Wortbildung, Mehrsprachigkeit, Fachsprachengebrauch, Metaphorologie und Diskursanalyse. Auch die Phonetik könnte interessante Aspekte zum Thema beitragen. Schriftsteller*innen und Journalist*innen bearbeiten die Situation in Form von Corona-Tagebüchern, Angstbewältigung findet in Form von schwarzhumorigen Corona-Memes statt und die „Querfront“ bildet eine aktuelle Form außerparlamentarischer Opposition mit provokanten Narrativen. Es bestehen also ganz offenbar Zusammenhänge zwischen Sprachkrisen und gesellschaftlichen Krisen (Kämper 2012). Wie wird die pandemische Krise als Sprachkrise beschreibbar und wie wird die Corona-Gegenwart „sprachlich als Krise repräsentiert bzw. konstituiert“?
Info
Tag:
23.05.2020
Anfangszeit:
09:00
Dauer:
01:00
Raum:
De Saussure
Track:
Plenum
Sprache:
de
Links:
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