Vortrag: "Sie wünschen sich glatte Haut ohne Dellen."

Die diskursive Konstruktion des 'Cellulite-Problems'

In meiner Bachelorarbeit habe ich versucht nachzuzeichnen, wie in Bezug auf das körperliche Merkmal ‚Cellulite‘, das die überwältigende Mehrheit aller Frauen aufweist und das kein ‚Problem‘ im medizinischen Sinne darstellt, diskursiv ein Problem konstruiert wird, das (einem offenbar breiten Konsens entsprechend) nach einer Lösung in Form einer Behandlungsentscheidung verlangt. Vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit Körperdiskursen habe ich diese diskursive Konstruktion des ‚Cellulite-Problems‘ zunächst aus theoretischer Perspektive betrachtet: Aufbauend auf das Denken Foucaults klassifiziert Maasen (2008) ‚Schönheitschirurgie‘ als moderne Biopolitik in Form einer bioästhetischen Gouvernementalität und spricht von einem dieser zugrundeliegenden Korpus von ‚Wissen‘, das sie als bioästhetisches Narrativ bezeichnet. Wie ebendieses Narrativ in Bezug auf Cellulite bedient und (re)produziert wird, diese so ‚denormalisiert‘, zu etwas Unerwünschtem und in weiterer Folge Behandlungswürdigem gemacht wird, und wie eine auf der paradox scheinenden Norm eines Cellulite-freien Körpers beruhende Behandlungsentscheidung vor diesem Hintergrund als Akt der Selbstbestimmung und -liebe erscheinen kann, habe ich im zweiten Teil meiner Arbeit durch eine multimodale kritische Analyse (vgl. Machin & Mayr 2012, vgl. Royce 1998) einer Ärzt*innen-Webseite, auf der Cellulite-Behandlungen angeboten werden, gezeigt: Das ‚Wissen‘ um ein defizitäres Vorher, ein harmloses Während der Behandlung und ein Glück versprechendes Nachher verweben sich an der diskursiven Oberfläche zu einem Bild der Wirklichkeit, innerhalb derer eine Behandlungsentscheidung als ‚normale‘ Entscheidung erscheint und das ‚Cellulite-Problem‘ im Spannungsfeld zwischen Selbstermächtigung und Selbstunterwerfung seine reg(ul)ierende Wirkung als Element bioästhetischer Gouvernementalität entfalten kann.

Das von Maasen beschriebene bioästhetische Narrativ ist Teil eines (vom neoliberalen Selbstoptimierungsimperativ und damit einhergehenden ‚Schönheitsidealen‘ geprägten) Körperdiskurses, innerhalb dessen sich in Bezug auf Cellulite ein für die Mehrheit aller Frauen völlig unerreichbares, gleichzeitig aber omnipräsentes und somit sehr ‚alltägliches‘ Ideal hält, dem nur schwer zu entkommen ist. Mit meiner Bachelorarbeit, die ich im WS 2022 am Institut für Sprachwissenschaft der Uni Wien geschrieben habe, wollte ich diesem Ideal auf der Basis einer fundierten wissenschaftlichen Analyse auf den Grund gehen: es theoretisch hinterfragen, analytisch ‚auseinandernehmen‘ und so im Sinne einer feministischen Wissenschaft letztendlich ein Stück weit aufbrechen.

Anmerkung zur Kategorie ,Frauen‘: Natürlich können auch Menschen, die sich selbst nicht als Frauen identifizieren, Cellulite haben. Allerdings werden auf der von mir analysierten Website (und in vergleichbaren Texten) immer nur ‚Frauen‘ angesprochen – die Existenz einer solchen (homogenen) Gruppe als relevantes Publikum wir einfach vorausgesetzt, Männer oder nicht binäre Menschen werden als solches offenbar nicht mitgedacht.

Literatur

Maasen, Sabine. 2008. Bio-ästhetische Gouvernementalität: Schönheitschirurgie als Biopolitik. In Paula-Irene Villa (Hg.). schön normal: Manipulationen am Körper als Technologien des Selbst. Bielefeld: transcript.

Machin, David & Andrea Mayr. 2012. How to do Critical Discourse Analysis: A multimodal introduction. Los Angeles et al.: SAGE.

Royce, Terry D. 1998. Synergy on the Page: Exploring intersemiotic complementarity on pagebased multimodal text. JASFL Occasional Papers 1(1). 25-46.

Info

Tag: 28.10.2023
Anfangszeit: 10:00
Dauer: 00:25
Raum: Hofburg Raum 1
Track: Applied Linguistics
Sprache: de

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