Vortrag: Das Adjektiv – eine kategorielle Melange?
Adjektive sind – nicht nur im Schulunterricht – eine seltsame Wortart. Im Deutschen (und nicht nur dort) sind sie nur syntaktisch von den Adverbien zu unterscheiden: Wie Adjektive (Typ schneller Tanz, lustiger Hund) sind Adverbien in der Regel z.B. komparierbar und modifizieren das Bezugslexem (wie bei schneller tanzen). Doch nicht nur dieser Umstand macht eine morphologische Bestimmung von Adjektiven schwierig. Adjektive lassen sie sich auch semantisch nicht gut fassen, denn nicht alle Adjektive sind Eigenschaftswörter.
So finden sich Bezeichnungen für Eigenschaften auch bei Substantiven (wie Wut) oder Verben (wie sich ähneln). Umgekehrt sind nicht alle Adjektive Eigenschaftswörter, was bspw. die relationalen Adjektive (wie gesetzlich, ehelich, studentisch) beweisen.
Gibt es also kein adjektiv-spezifisches Kriterium zur Bestimmung? Noch „schlimmer“ wird es beim Blick in den Sprachvergleich: Adjektive finden sich nicht in allen Sprachen. Doch warum hat das Deutsche dann trotzdem Adjektive und wie lassen sich diese grammatisch valide bestimmen?
Ausgehend von gängigen Klassifikationsversuchen bzw. der problematischen Fassbarkeit des Konzepts „Wortart“ gibt der Vortrag vor diesem Hintergrund zunächst einen Überblick, wie Wortarten übereinzelsprachlich bestimmt werden, um dann auf das Deutsche zu kommen.
Es wird gezeigt, dass Wortarten nach lexikalischer Fassung tatsächlich entweder entbehrlich wären und gleichzeitig aber, wie am Beispiel der relationalen Adjektive illustriert, zu viele Ausnahmen zu semantischen
Wortartbeschreibungen übrigblieben. Daher gilt es, nach formalen, d.h. grammatischen Kriterien der Wortartbestimmung zu suchen. Dabei rücken syntaktische wie morphologische Aspekte gleichermaßen in den Fokus. Im Vortrag wird auch mit einem Exkurs in die Sprachgeschichte illustriert, dass einerseits morphologische Marker (Derivationssuffixe) keineswegs sprachhistorisch arbiträrer Ballast sind, sondern wichtige grammatische Aufgaben (z.B. Transposition und semantische Modifikation) für das System des Gegenwartsdeutschen erfüllen. Andererseits existieren neben dem belegbaren Anteil in der Sprache parallel dazu auch Beschränkungen (sogenannte Restriktionen), die im Sprachmaterial systematisch nicht belegbar, d.h. ebenfalls nicht zufällig verteilt sind.
Wie eine Art Ying (Distribution) und Yang (Restriktion) ergänzen sich so beide Prinzipien der sprachlichen Strukturbildung und gewährleisten, dass sich Adjektive in systematisch geformten Mustern ausbilden, die ihrerseits wiederum geeignet sind, syntaktische Bezüge zu anderen Wortarten (v.a. dem Nomen) einzugehen, wobei die Bezugnahme mit dem Bezugslexem auch semantisch nicht arbiträr ist.
Adjektive im Deutschen erweisen sich, wie gezeigt wird, also als eine hochmotivierte Wortart, die einer Melange von Nomen und Verb gleichkommt. Ihre morphosyntaktischen Distributions- und Restriktionsprinzipien jedoch sind im Deutschen gleichermaßen grammatikalisiert – sie sind in diesem Sinne motiviert adjektivspezifisch
Info
Tag:
27.10.2023
Anfangszeit:
17:45
Dauer:
01:05
Raum:
Hofburg Raum 1
Track:
Theoretical Linguistics
Sprache:
de
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ReferentInnen
Martina Werner |