Vortrag: Immersion und Leserfragen - Zur Ursache von Spannung
Die narrative Spannung lässt sich über Leserfragen zur Geschichte erklären. Zu diesem Ergebnis kommt eine linguistische Studie aus Graz. Der geplante Vortrag stellt die Theorie dahinter vor und erläutert wie Leserfragen in das Bild der traditionellen Spannungsforschung integrierbar ist.
Eine linguistisch basierte Theorie zu narrativer Spannung zeigt, dass Spannung eng mit den Fragen zusammenhängt, die LeserInnen während des Leseprozesses stellen. Nach einer starken Version der Theorie reicht die Neugier von LeserInnen auf den Fortgang der Geschichte und eine spezielle Konstellation von Leserfragen zur Erklärung der Entstehung von Spannung aus. Dieser Standpunkt widerspricht zuvor etablierten Zusammenhängen – beispielsweise der Vorstellung, dass die Entstehung von Spannung von der erlebten Immersion in eine Geschichte abhängt – also, dass das Eintauchen in die erzählte Welt Spannung erzeugt. Der geplante Vortrag schlägt mittels eines bisher außer Acht gelassenen Bindegliedes eine Brücke: Das Diskursverständnis, eine wichtige Voraussetzung für jede Form medieninduzierter Erfahrungen, wirkt sich auf alle Phänomene aus: Nur wer einer Geschichte gut genug folgen kann, kann Immersion, Spannung und Neugier empfinden.
Die Forschung zum Diskursverständnis gibt Rätsel auf: LeserInnen ziehen zwar Schlüsse zur Aufrechterhaltung der Textkohärenz, Prognosen über zukünftige Ereignisse einer Geschichte sind jedoch flüchtig und rar. Die narrative Spannung, traditionell über Hoffnung und Furcht bezüglich zukünftiger Ereignisse definiert, ist von diesen Prognosen jedoch maximal abhängig: Werden mögliche zukünftige Ereignisse von LeserInnen nicht als solche erkannt, ist Spannung ausgeschlossen. Die erotetische Theorie liefert eine Erklärung: PITQs, „Potentially Inquiry Terminating Questions“, sind Fragen, die durch eine asymmetrische Implikationsrelation (eine Antwort auf die PITQ liefert eine Antwort auf die Hauptfrage, während eine andere Antwort dies nicht tut) die Illusion erwecken, dass das Ende der Geschichte unmittelbar bevorsteht. Sie liefern somit die Prognose mit. Im Zusammenhang mit Spannung treten PITQs erwiesenermaßen gehäuft auf und ermöglichen damit die Stabilisation prognostischer Schlüsse. Auch der Einfluss der Immersion auf die Spannung folgt daraus: Wer in eine Geschichte eintaucht, erkennt aufgeworfene Fragen deutlicher und stellt sie mit gesteigerter Dringlichkeit. Rufen diese Fragen dann Spannung hervor, wird sie durch Immersion verstärkt.
Info
Tag:
11.05.2024
Anfangszeit:
16:40
Dauer:
00:30
Raum:
Squid (33.0.008)
Track:
Theoretical Linguistics
Sprache:
de
Links:
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ReferentInnen
Maya Cortez Espinoza |