Talk: Weiblich, männlich oder neutral? Geschlechterspezifische Wahrnehmung unbelebter deutscher Nomen und potenzielle Einflussfaktoren

Der Einfluss von Sprache auf das Fortbestehen von geschlechterbezogenen Stereotypen wird in diversen Disziplinen diskutiert (Charlesworth et al. 2021: 219). Dabei stehen im Deutschen häufig das generische Maskulinum oder die genderneutrale Sprache im Fokus. Aber manifestiert sich eine geschlechterspezifische Wahrnehmung von Sprache lediglich, wenn die Nomen belebt und personenbezogen sind?
Um dies zu untersuchen, sollten die Proband:Innen der Studie 120 unbelebte deutsche Nomen hinsichtlich ihres assoziierten Geschlechts auf einer Skala zwischen „weiblich“ und „männlich“ einordnen. Eine geschlechterbezogene Wahrnehmung lässt sich dabei jedoch nicht allein auf stereotypische Assoziationen und damit primär auf die linguistische Ebene der Semantik zurückführen. Das Modell der 'Parallel Architecture' legt einen Einfluss aller linguistischen Ebenen auf die Bewertungsergebnisse der Nomen nahe, sodass sich Geschlecht auch in Form von Genus auf morpho-syntaktischer sowie phonologischer Ebene auswirken sollte (Jackendoff 2023: 2).
Anhand der Bewertungen der Items wird neben den Einflüssen der verschiedenen linguistischen Parameter auch das Geschlecht der Teilnehmenden als potenzieller Faktor unterschiedlicher Wortwahrnehmung untersucht und diskutiert. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl das Genus der Nomen als auch deren geschlechterstereotypische Konnotation Auswirkungen auf die Einschätzung zeigen. Zudem ist auf Grundlage der erhobenen Daten eine Abhängigkeit der Wortbewertungen vom Geschlecht der Proband:Innen anzunehmen.

Die Studie, die diesem Vortrag zugrunde liegt, wurde im Rahmen eines Linguistik-Seminars zum Thema „Language and Cognition“ durchgeführt. Daher erfolgt im Vortrag zunächst eine kurze thematische Einführung in relevante theoretische Grundlagen und Modelle. Neben einigen sprachstrukturellen Aspekten zu Genus im Deutschen werden auch Erkenntnisse der kognitiven Linguistik zur mentalen Repräsentation von Sprache thematisiert. Außerdem werden die Ergebnisse bisheriger Forschung zu einschlägigen Themengebieten als Basis für die folgende Diskussion aufgearbeitet und das Studiendesign sowie Ergebnisse der Erhebung vorgestellt.
Der Vortrag verfolgt das primäre Ziel, erste Einblicke in die Zusammenhänge zwischen den Charakteristika der jeweiligen Items und ihrer mentalen Konzeption zu erlangen. Hierdurch sollen schließlich Aspekte identifiziert werden, die eine geschlechterspezifische Assoziation von Nomen bewirken und damit Einfluss auf die diesbezügliche Sprachwahrnehmung zeigen können. Dazu werden sowohl die Bewertungen einzelner Items als auch die Einflüsse verschiedener potenzieller Faktoren betrachtet. Auf Grundlage von Theorie und bisheriger Forschung zählen zu diesen insbesondere das grammatische Geschlecht, phonologische Merkmale und auf Stereotypen basierende semantische Gruppierungen sowie das Geschlecht der Teilnehmenden.
Abschließend sollen im Vortrag Limitationen dieser Studie aufgezeigt und Impulse für zukünftige Forschung zur geschlechterspezifischen Wahrnehmung von Sprache präsentiert werden.

Literatur:
Charlesworth, Tessa E. S., Victor Yang, Thomas C. Mann, Benedek Kurdi, and Mahzarin R. Banaji. 2021. Gender Stereotypes in Natural Language: Word Embeddings Show Robust Consistency Across Child and Adult Language Corpora of More Than 65 Million Words. Psychological Science 32(2). 218–240.
Jackendoff, Ray. 2023. The Parallel Architecture in Language and Elsewhere. Topics in Cognitive Science 00. 1–10. doi: 10.1111/tops.12698

Info

Day: 2025-05-17
Start time: 15:20
Duration: 00:30
Room: GWZ 2.216
Track: Neuro-/Psycholinguistics
Language: de

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