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Vortrag: Untersuchungen zur Lautsymbolik anhand von Texten aus Kunstwörtern

Untersuchungen zur Lautsymbolik anhand von Texten aus Kunstwörtern

Entgegen der allgemeingültigen Arbitrarität nach Ferdinand de Saussure gibt es in der Sprache durchaus Fälle, in denen ein nicht-arbiträrer Zusammenhang zwischen Form und Inhalt sprachlicher Zeichen wahrgenommen wird (vgl. Elsen 2016: 11, 33; Elsen 2014: 198). Die synästhetische Lautsymbolik beispielsweise beschreibt diejenigen Fälle, in denen eine Ähnlichkeit zwischen lautlichen und anderen Aspekten empfunden wird (z. B. /i/ und Bedeutungsaspekt 'klein', wie in mikro ; /a/ und 'groß', wie in makro) (vgl. Hinton/Nichols/Ohala 1994: 4; Jespersen 1933: 288). Allerdings können Sprecher/innen wegen der bereits erlernten Bedeutung sprachlicher Ausdrücke nicht unvoreingenommen über die lautsymbolische Wirkung dieser Ausdrücke urteilen. Eine geeignete Möglichkeit zur Untersuchung lautsymbolischer Effekte stellen daher Experimente mit Kunstwörtern dar, weil diese keine lexikalische Bedeutung tragen (vgl. Elsen 2016: 53; Elsen 2017: 551).

Auf der Wortebene konnten bereits verschiedene Experimente mit Kunstwörtern zeigen, dass Proband/innen mit bestimmten Lauten, Lautgruppen oder artikulatorischen Eigenschaften von Lauten mit hoher Übereinstimmung bestimmte Bedeutungsaspekte assoziieren (vgl. z. B. Sapir 1929; Köhler 1929; Maurer/Pathman/Mondloch 2006). Deutlich weniger systematisch erforscht sind hingegen lautsymbolische Effekte auf der Textebene. Gerade wenn bei poetischen Texten lautlichen Auffälligkeiten rhetorische Wirkungen zugeschrieben werden, ist dann unklar, ob tatsächlich die verwendeten Laute oder vielmehr die lexikalische Bedeutung der Wörter jene Wirkungen auslösen (vgl. Elsen 2017: 554).

Das Dissertationsprojekt setzt sich daher zum Ziel, Erkenntnisse über die rein lautliche Wirkung von Texten zu gewinnen. Anhand von Proband/innenbefragungen zu systematisch konstruierten Texten aus Kunstwörtern soll ermittelt werden, inwiefern die erhöhte Vorkommenshäufigkeit bestimmter Lautgruppen, z. B. heller oder dunkler Vokale, zu Assoziationen mit bestimmten Emotionen, z. B. 'fröhlich' oder 'traurig', führen kann.

Im Rahmen des Vortrags möchte ich auf methodische Herausforderungen eingehen, die mit dem Dissertationsvorhaben verbunden sind. Die erste Hürde besteht darin, kurze deutschsprachige Texte lautlich systematisch so zu manipulieren, dass sie zu Kunsttexten ohne lexikalische Bedeutung werden. Im nächsten Schritt müssen aus den gewonnenen Kunsttexten verschiedene Varianten konstruiert werden, in denen verschiedene Lautgruppen überdurchschnittlich häufig vertreten sind. Damit verbunden ist die Frage, wie viel häufiger entsprechende Lautgruppen in einem Text vorkommen sollten, um zu ermöglichen, dass ein eventuell vorhandener lautsymbolischer Effekt auch messbar auftritt.

Literatur

Elsen, Hilke (2014): „Lautsymbolik – ein vernachlässigter Forschungsgegenstand der Sprach-wissenschaft“. In: Glottotheory 5.2. Berlin: de Gruyter Mouton, 185-218.

Elsen, Hilke (2016): Einführung in die Lautsymbolik. Berlin: Erich Schmidt.

Elsen, Hilke (2017): „Lautsymbolik in lyrischen Texten – Grenzen und Möglichkeiten“. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 47.4, 549-561.
https://doi.org/10.1007/s41244-017-0077-z [Abruf: 18.05.2021].

Hinton, Leanne/Nichols, Johanna/Ohala, John J. (1994): „Introduction: Sound-Symbolic Processes”. In: Hinton, Leanne/Nichols, Johanna/Ohala, John J. (Hrsg.): Sound Symbolism. Cambridge: Cambridge UP, 1-12.

Jespersen, Otto (1933): „Symbolic Value of the Vowel i”. In: Jespersen, Otto (Hrsg.): Linguistica. Selected Papers in English, French and German by Otto Jespersen. Copenhagen et al.: Levin & Munksgaard, 283-303.

Köhler, Wolfgang (1929): Gestalt psychology. New York: Liveright.

Maurer, Daphne/Pathman, Thanujeni/Mondloch, Catherine J. (2006): „The Shape of Boubas. Sound-Shape Correspondences in Toddlers and Adults”. In: Developmental Science 9.3. Oxford: Blackwell, 316-322.

Sapir, Edward (1929): „A Study in Phonetic Symbolism“. In: Journal of Experimental Psychology 12.3. Washington et al.: American Psychological Association, 225-239.

Info

Tag: 25.03.2022
Anfangszeit: 11:05
Dauer: 00:30
Raum: Dowschenko
Track: Phonetik-Phonologie
Sprache: de

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