Programm 75. StuTS

Viele Sprachen haben eine Klasse von Verben, deren Komplementsatz sowohl eine Überzeugung oder Information als auch eine Absicht ausdrücken kann, wie zum Beispiel vergessen: in Ich habe vergessen, dass heute Dienstag ist bezieht sich das Vergessen auf eine Information, in Ich habe vergessen meine Oma anzurufen bezieht es sich auf eine Absicht. Wie in diesem deutschen Beispiel werden die beiden unterschiedlichen Bedeutungen auch in anderen Sprachen typischerweise mit unterschiedlichen Typen von Komplementsätzen ausgedrückt, wobei der Komplementsatz, der eine Absicht beschreibt, weniger Merkmale eines unabhängigen Satzes, wie TAM- und Aktantenmarkierungen, aufweist als der, der eine Überzeugung beschreibt.
Diese Zuordnung ist jedoch nicht immer völlig strikt. Im Baskischen werden tendenziell zwar ebenfalls Überzeugungen mit finiten Komplementsätzen und Absichten mit Verbalnomen ausgedrückt, prinzipiell können aber sowohl finite Komplementsätze als auch Verbalnomen im Absolutiv oder Instrumental beides ausdrücken. Ob atypische Kombinationen von Form und Bedeutung möglich sind, hängt zum einen vom Matrixverb ab: „überzeugungsprominente“ Verben erlauben Verbalnomen, die eine Überzeugung ausdrücken, aber keine finiten Absichten, während es bei „absichtsprominenten“ Verben genau umgekehrt aussieht. Sowohl das Matrixverb als auch der Komplementsatz bringen also offenbar eine semantische Präferenz mit, von der die Interpretation der gesamten Konstruktion abhängt.
Des weiteren spielen TAM, Aktionsart, Agentivität und Koreferenz eine Rolle dabei, die eine oder die andere Interpretation möglich oder wahrscheinlicher zu machen, was umgekehrt wieder zu beeinflussen scheint, welche Art von Komplementsatz gewählt wird, um eine bestimmte Bedeutung auszudrücken.

Info

Tag: 10.05.2024
Anfangszeit: 11:30
Dauer: 00:30
Raum: Turtle (33.2.106)
Track: Typology and Variational Linguistics
Sprache: de

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