Version 4.2

Vortrag: Ich messe, also bin ich.

In der experimentellen Linguistik bewegen wir uns stets an der Grenze zwischen den abstrakten Kategorien der traditionellen sprachwissenschaftlichen Analyse (den Symbolen) und den kontinuierlichen Repräsentationen der realen Welt (den ermittelten Messwerten). Nicht selten tauchen hier Unstimmigkeiten zwischen der linguistischen Vorhersage und den real gemessenen Werten auf, die uns vor verschiedene Fragen stellt. Sollten wir unsere Theorie den Messwerten anpassen und eventuell neue linguistische Kategorien annehmen? Oder sollten wir die Varianz im Signal als „Rauschen in den Daten“ verwerfen und eine neue Messung durchführen? Gibt es vielleicht doch noch einen Weg, aus der Varianz im Signal Struktureigenschaften der Sprache abzuleiten?
Der vorliegende Vortrag beschäftig sich mit der Frage, wie wir mit Varianz in experimentellen Daten umgehen können. Wir zeigen akustische und artikulatorische Messungen aus der Sprachproduktionsforschung, die häufig eine Herausforderung für die Theoriebildung darstellen. Anhand folgender Beispiele gehen wir auf das Problem diskreter und kontinuierlicher Repräsentationsformen ein: Kann ich eine Silbe als linguistische Konstituente messen? Was lerne ich aus der Produktion von typischer und atypischer Sprache? Wie interagieren unterschiedliche linguistische Level (Prosodie und textuelle Schicht)?
Mittels dynamischer Systeme zeigen wir, wie wir Varianz in die Analyse integrieren können und was sie uns über das Sprachsystem verrät. Wir werden dabei überlegen, welche Probleme der klassische Kategorienbegriff in der Linguistik mit sich bringt und wie wir diese Probleme durch die Annahme dynamischer Systeme lösen können.

Doris Mücke leitet das IfL-Phonetik Labor an der Universität zu Köln. Sie ist in unterschiedlichen experimentalphonetischen Methoden ausgewiesen, darunter 3D-Elektromagnetische Artikulographie, Elektropalatographie und akustische Methoden. Sie promovierte zur Vokalsynthese und Vokalperzeption und habilitierte im Anschluss zur dynamischen Modellierung von Artikulation und Prosodie. Mit Hilfe von dynamischen Ansätzen modelliert sie Variabilitätsmuster von Intonation und deren Interaktion mit der textuellen Schicht, prosodischer Prominenz und Silbenstruktur in verschiedenen Sprachen. Sie beschäftigt sich auch mit der Modellierung pathologischer Sprache bei Patienten mit Bewegungsstörungen wie essentiellem Tremor und idiopathischem Parkinson-Syndrom sowie dem Einfluss der Tiefen Hirnstimulation auf die Sprechmotorik.

Info

Tag: 23.05.2019
Anfangszeit: 11:00
Dauer: 01:00
Raum: 100/ Aula 2
Track: Phonetics and Phonology
Sprache: de

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