Version 4.2

Vortrag: Ein phonetischer Vergleich von Vokalqualitäten und -quantitäten im Kiezdeutschen und einer standardnahen Varietät

Kiezdeutsch ist eine Varietät des Deutschen, die sich in überwiegend multiethnischen und multilingualen Stadtvierteln zwischen Jugendlichen entwickelt hat. Es unterscheidet sich vom Standarddeutschen morphosyntakisch z. B. durch die Nutzung bloßer Nominalphrasen für bestimmte Lokalangaben („Ich geh Kino“) (Wiese & Pohle, 2016). Phonetisch-phonologisch gibt es Unterschiede bei der Realisierung des palatalen Frikativs [ç] als [ʃ] und bei der Erhöhung und dem Fronting des Diphthongs [oy] (Jannedy & Weirich, 2013, 2014). In dieser phonetischen Studie untersuchen wir die Qualität und Quantität der drei langen gespannten Vorderzungenvokale [i:, e:, a:]. Die auf auditiven Eindrücken basierenden Hypothesen sind, dass die langen Vokale im Kiezdeutschen sowohl kürzer als auch ungespannter produziert werden als im Standarddeutschen. Diese Hypothesen werden anhand von Korpusdaten quantitativ überprüft.
Dafür vergleichen wir die aus soziolinguistischen Interviews gewonnen Daten des Kiezdeutschen von drei männlichen Jugendlichen aus Berlin mit Daten zum Standarddeutschen dreier männlicher Studierender aus Bielefeld, die durch ähnlich angelegte Interviews erhoben wurden. Untersucht werden für beide Sprechergruppen die Dauer der Vokale (Quantitätshypothese) und ihre spektralen Eigenschaften (Qualitätshypothese).
Literaturverzeichnis
Jannedy, S. & Weirich, M. (2013). /oy/ as an identity marker of Hood German in Berlin. In Acoustical Society of America (Hrsg.), Proceedings of Meetings on Acoustics, 1-6. ASA. https://www.researchgate.net/publication/236663216_oy_as_a_marker_of_local_identity_in_Berlin (27.10.2018)
Jannedy, S. & Weirich, M. (2014). Sound change in an urban setting. Category instability of the palatal fricative in Berlin. Laboratory Phonology, 5 (1), 91-122.
Wiese, H. & Pohle, M. (2016). „Ich geh Kino“ oder „… ins Kino“? Zeitschrift für Sprachwissenschaft, 35 (2), 171-216.