Version 4.2

Vortrag: Framesemantik: Den passenden Rahmen finden

Was sind Frames, wo und wie finden wir sie und wie vergleichbar sind sie über Sprachgrenzen hinweg?

Frames sind nicht nur als Interpretationsrahmen im politischen Diskurs unter dem Schlagwort Framing inzwischen in aller Munde, sondern sind als kognitive Konzepte zur Strukturierung von Wissen und Erfahrungen ein zentraler und fundamentaler Bestandteil von Kognition und Sprache.
Durch Sprache aktivieren wir Frames, zum Beispiel wissen wir beim Wort „kaufen“, dass es sich um einen Austausch von Ware und Geld von bestimmtem Wert zwischen Verkäufer*in und Käufer*in handelt. Diese Konzepte sind kulturell gebunden (z. B. ist der „kaufen“-Frame in einer Gesellschaft ohne Geldsystem sicherlich anders) und die Aktivierung durch sprachliches Material sprachspezifisch. Für das Englische haben Linguisten um Charles Fillmore FrameNet entwickelt – eine Datenbank, in der Frames, die Wörter, von denen sie aktiviert werden und die Beziehungen zwischen den Frames zusammengestellt sind.
Wenn Frames also kulturspezifische Konzepte mit sprachspezifischer Realisierung sind, was passiert dann mit ihnen beim Übersetzen? Und wenn sie andererseits so grundlegende kognitive Konzepte darstellen, kann man die englischen FrameNet-Daten problemlos auf das Deutsche übertragen?
Der Frage nach der sprachübergreifenden Vergleichbarkeit von Frames widmet sich das internationale Annotationsprojekt Multilingual FrameNet, in dessen Rahmen ich meine Masterarbeit geschrieben habe. In dem Projekt werden das englischsprachige Original eines TED-Talks und dessen Übersetzungen in mehreren Sprachen framesemantisch annotiert.
Im Vortrag möchte ich einen Einblick in Framesemantik als Teil der Kognitiven Linguistik geben, ihre Anwendung in der FrameNet-Datenbank und in der Annotation vorstellen und kontrastive bzw. übersetzungsbezogene Aspekte diskutieren.

Framesemantik ist eng verbunden mit Cognitive Grammar, hat Berührungspunkte mit Construction Grammar, basiert auf der Zuweisung von semantischen Rollen und wurde auch als 'scenes-and-frames semantics' bezeichnet.
Für das Multilingual FrameNet Project werden zunächst der Text des TED Talk "Do schools kill creativity?" von Sir Ken Robinson und dessen Übersetzungen framesemantisch annotiert.
Die Masterarbeit mit dem Titel "Frame Shifts und Frame-Vergleichbarkeit bei Englisch-Deutscher Übersetzung am Beispiel einer Volltextannotation mit FrameNet" habe ich 2018 am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie der Universität Leipzig geschrieben.